„Aus heutiger Sicht würde ich den Rat an alle geben: Geduld! Denn es hat seine Zeit gebraucht, bis das alles so war, wie es jetzt ist. Die beiden Kinder haben sich gut entwickelt. Wir haben keine Probleme, die andere nicht auch hätten.“
Wir haben vor ca. drei Jahren zwei Kinder aus Kolumbien adoptiert: ein Mädchen und ein Jungen. Das Mädchen war 2 1/2 Jahre und der Junge 3 1/2 Jahre. Wir selbst waren sieben Wochen in Kolumbien.
Ich muss leider sagen, dass ich mir das so nicht vorgestellt habe. Wir mussten sieben Jahre warten und führen schon eine 20-jährige Beziehung. Dann bekommt man plötzlich zwei Kinder. Wir kamen dann in das Hotelzimmer, wo die zwei Kinder waren. Das Mädchen (3 ½) sagte schon gleich: „Das ist mein Bett.“ (das größere)! Sie hatte dort ihren Bereich. Der Kleine hat das so über sich ergehen lassen. Es hat fast 1 ½ Jahre gedauert, bis wir unsere Tochter überhaupt mal in den Arm nehmen konnten und sie es genießt. Für mich persönlich war das sehr schwer, mein eigenes Kind so lange Zeit nicht anfassen zu können. Es hat sehr lange gedauert, bis wir überhaupt so eine Bindung aufbauen konnten. Das war sehr schwer für mich.
Dadurch, dass die Kinder sich auch so unterschiedlich entwickelt haben, der Kleine war sehr verspielt und immer so in seiner Welt, er hat immer alles so hingenommen. Die Große war sehr wissbegierig, wollte viel wissen und war sehr zurückgezogen, sehr zickig.
Aus heutiger Sicht würde ich den Rat an alle geben: Geduld! Denn es hat seine Zeit gebraucht, bis das alles so war wie es jetzt ist. Die beiden Kinder haben sich gut entwickelt. Wir haben keine Probleme, die andere jetzt nicht auch hätten. Ich habe auch fast zwei Jahre gebraucht, um mich durchzuringen zu der Familienberatungsstelle in Fulda. Habe dort eine sehr nette Psychologin kennen gelernt. Sie hilft mir wirklich viel bei meiner Erziehung und gibt mir Sicherheit. Mach ich das alles richtig? Mach ich es allen gerecht? Liebe ich beide gleich? Kann das sein oder nicht? Solche Dinge kann man nicht immer mit dem eigenen Partner besprechen, weil man oft andere Ansichten davon hat. Natürlich bekommt man auch von Freunden und Verwandten Ratschläge, aber ich persönlich finde, dass man den Rat von Fremden und einer außenstehenden Person mehr annimmt. Mich beruhigen die Gespräche mit der Psychologin. Sie tun mir gut, ich merke das, wenn ich aus dem Raum rausgehe, bin ich total tiefenentspannt.
Es war eine große Herausforderung. Gerade mit zwei fremden Kindern und dann in so einem schwierigen Alter. Aber man kann es sich eben nicht aussuchen. Aber dennoch muss man das aus der heutigen Sicht sehen. Ich hätte damals nicht gedacht, dass sich das dann noch alles so entwickelt, wie es heute ist. Für mich selbst habe ich ungefähr 2 ½ Jahre gebraucht um 100% sagen zu können: Ich bin jetzt voll Mutter, und wir sind eine Familie. Ich dachte immer, ich sei die zickige, böse Mutter. Es war einfach alles sehr anstrengend. Im ersten Jahr habe ich dadurch 8 kg verloren. Heute schäme ich mich dafür, was man damals für Gedanken gehabt hat. So zurückblickend muss ich sagen, die beiden haben sich super eingefügt und haben bestimmt eine größere Kraftanstrengung durchgemacht als wir. Wer die beiden kennt weiß, wie zuckersüß sie sind.
Die sieben Jahre Wartezeit hängen mir persönlich immer noch ziemlich hinterher, auch wenn ich darüber rede, kommt in mir immer eine gewisse Emotion hoch.
Momentan haben wir aber eher mit der Eifersucht zu kämpfen, da unsere Kinder gerade mal nur ein Jahr Altersunterschied haben. Diese ständig kleinen Streitigkeiten sind sehr nervraubend. Ich gehe dann mal öfters dazwischen, wobei ich mir dann aber im Nachhinein denke, hätte ich das jetzt mal lieber nicht gemacht. Man kann da auch keinem gerecht werden und jeder fordert einen. Was auch problematisch ist, man kann auch nichts mit einem Kind alleine machen, weil der andere hängt einem trotzdem irgendwo im Nacken und wartet schon an der Tür oder fragt „Darf ich nicht doch mitspielen?“. Das ist für mich noch eine große Herausforderung. Man muss das alles irgendwo planen und managen. Gerade alleine mit den beiden Kindern. Es ist sehr anstrengend, doch manchmal ist es auch echt lustig.
Auch die Auszeit, die man sich nehmen soll, wird mir durch den ganzen Stress immer wichtiger, einfach mal nur Zeit mit meinem Mann zu haben. Mittlerweile ist es eine schöne Erfahrung. Aber jeder sollte für sich selbst wissen, ob man ein oder zwei Kinder gleichzeitig adoptiert. Wir haben das aus dem Grund gemacht, weil wir nicht noch einmal sieben Jahre warten können. Das schaffen wir nicht vom Alter her und auch nicht mental. Auch wenn wir die Kinder in einem schwierigen Alter bekommen haben, man konnte selbst noch mit erziehen und „formen“.